Herr Hussing, aufbauend auf dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard veröffentlicht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine entsprechende Arbeitsschutzregel. Welche Bedeutung kommt ihr zu?

Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutz-Regel konkretisiert den Arbeitschutzstandard und stellt ihn auf eine verbindlichere rechtliche Ebene. In Verbindung mit den branchenspezifischen Handlungshilfen der Unfallversicherung haben die Verantwortlichen in Betrieben, Einrichtungen und Verwaltungen jetzt eine Richtschnur dafür, wie sie sicheres und gesundes Arbeiten unter den Bedingungen der Epidemie organisieren können.

Werden die Handlungshilfen von Berufsgenossenschaften und Unfallkassen also nicht durch die Arbeitsschutzregel abgelöst?

Nein, überhaupt nicht. Die Unfallversicherungsträger haben den Sars-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des Bundesarbeitsministeriums für ihre jeweiligen Branchen übersetzt. Die Empfehlungen folgen also denselben Überlegungen, sie sind in der konkreten Ausformung aber auf die Bedürfnisse der Betriebe zugeschnitten. In einem Friseursalon muss der Schutz anders aussehen als im Einzelhandel oder in der Fabrikhalle. Für die Betriebe sind diese Empfehlungen eine Art Werkzeugkoffer, mit dem sie sicheres und gesundes Arbeiten während der Epidemie sicherstellen können.

Der Schlüssel zur Nutzung dieses Werkzeugkoffers ist die Gefährdungsbeurteilung. Sie ist für jedes Unternehmen und jede Einrichtung gesetzlich verpflichtend. Das heißt, alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen sich Gedanken machen, wie sie ihre Beschäftigten vor einer Corona-Infektion im Betrieb schützen können und sie müssen entsprechende Maßnahmen zum Schutz ergreifen. Wie diese Maßnahmen aussehen können, zeigen die Handlungshilfen von Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Die Arbeitsschutzregel bietet im Vergleich dazu einen eher allgemeinen Rahmen.

Es gibt neben der neuen Regel und den branchenspezifischen Handlungshilfen aber auch noch die Infektionsschutzverordnungen der Bundesländer. In welcher Beziehung stehen diese zum Arbeitsschutz?

Mit ihren Verordnungen setzen die Bundesländer das Infektionsschutzgesetz des Bundes um. Sie greifen dabei – auch im Hinblick auf die Beschäftigten – in den Bereich des Arbeitsschutzes ein. Dabei sind die Verordnungen der Länder unmittelbar verbindlich.

Das heißt, die Betriebe sind hier mit zwei verschiedenen Rechtsbereichen – dem Arbeits- und dem Gesundheitsschutz konfrontiert?

Ja, das ist so. Das kann bei Betrieben und Einrichtungen bedauerlicherweise auch zu Verwirrungen führen. Sie stehen vor der Frage: Was gilt jetzt eigentlich für mich? Woran kann ich mich orientieren? Wir können da nur immer wieder auf die Gefährdungsbeurteilung und unsere Handlungshilfen hinweisen. Sollten unsere Empfehlungen tatsächlich mal mit den Forderungen der Gesundheitsbehörden kollidieren, empfehle ich einen Hinweis an den zuständigen Unfallversicherungsträger.

Diese Epidemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, mit einer Stimme zu sprechen. Das ist nicht einfach in einem föderalen Staat. Aber für diejenigen, die das Recht anwenden und Empfehlungen umsetzen müssen, ist es wichtig, möglichst eindeutige und verbindliche Hinweise zu bekommen. Die gesetzliche Unfallversicherung würde sich deshalb eine stärkere Kooperation auch mit den Bundesländern wünschen. Wir haben die Expertise im Arbeitsschutz und können sie schnell und situationsangepasst zur Verfügung stellen. Das haben wir mit den ergänzenden Handlungshilfen zum SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard gezeigt.

Danke für das Gespräch!

(Quelle: DGUV)

http://www.dguv.de