Carsten Burckhardt, IG BAU-Bundesvorstandsmitglied © IG BAU/Alexander Paul Englert

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) sieht beim staatlichen Arbeitsschutz in Deutschland eklatante Überwachungslücken: In den Bundesländern gebe es deutlich zu wenig Personal, um den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Beschäftigten wirksam zu überwachen, kritisiert die Gewerkschaft. Die IG BAU verweist dabei auf die Zahlen des neusten Arbeitsschutzberichts der Bundesregierung, der jetzt dem Bundestag vorgelegt wurde. In ihm wird die Personalsituation der Arbeitsschutzbehörden in den Bundesländern aufgelistet: Danach sind für die Einhaltung der betrieblichen Sicherheitsvorschriften bundesweit 1.468 Aufsichtsbeamte verantwortlich. Rein rechnerisch sei damit, so die IG BAU, ein Kontrolleur für 23.085 Beschäftigte zuständig. Und das, obwohl die Internationale Arbeitsorganisation der Europäischen Union (Ilo) eigentlich eine Quote von einem Kontrolleur für maximal 10.000 Beschäftige fordere.

Laut dem aktuellen Bericht „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ stehen bei den Arbeitsschutzbehörden in Nordrhein-Westfalen 345, in Niedersachsen 225, in Berlin 64 und in Hamburg 48 Aufsichtsbeamte für die Kontrolle der betrieblichen Arbeitsschutzvorschriften zur Verfügung. In Thüringen sind es lediglich 43.

Für Carsten Burckhardt, IG BAU-Bundesvorstandsmitglied und zuständig für den Arbeitsschutz, sind die Zahlen eine Ernüchterung: „Wir haben beim staatlichen Arbeitsschutz in den Bundesländern seit Jahren ein eklatantes Überwachungsdefizit, das sich jetzt noch einmal verschärft hat. So weist der aktuelle Bericht gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 1,5 Prozent beim Kontrollpersonal in den Bundesländern auf.“ Das Personal reiche vorne und hinten nicht aus. Es gebe hier einen enormen Nachholbedarf. Niemand könne ernsthaft glauben, dass bei der derzeitigen Quote eine wirkungsvolle und effektive Überwachung des Arbeitsschutzes in Deutschland möglich sei.

„Die Lücke können auch die Berufsgenossenschaften nicht füllen. Diese sind primär für die Prävention zuständig und leisten hier eine sehr gute Arbeit. Die Frage, ob der Gesundheitsschutz und die Sicherheitsbestimmungen am Arbeitsplatz eingehalten werden, ist Aufgabe der staatlichen Behörden“, so Burckhardt weiter.

Wenn eine effektive und wirkungsvolle Kontrolle hier nicht garantiert werden könne, werde das zur Gefahr für die Beschäftigten. „Wir brauchen beim Arbeitsschutz keine ‚Kontrolle light‘, sondern einen höheren Kontrolldruck für die Betriebe, die es mit der Arbeitssicherheit nicht wirklich ernst nehmen“, so Burckhardt. Vor diesem Hintergrund fordert die IG BAU von den Bundesländern eine deutlich bessere Personalausstattung der Arbeitsschutzbehörden. Burckhardt verweist auf die Situation am Bau: „Allein bis September sind im vergangenen Jahr 56 Bauarbeiter tödlich verunglückt. Das zeigt, wie wichtig der Arbeitsschutz und die Kontrolle der Sicherheitsbestimmungen sind.“

In diesem Zusammenhang fordert Burckhardt perspektivisch die Einrichtung einer Arbeitsinspektion: „Wir brauchen eine übergeordnete Behörde, die Kontrollen bündelt. Sie muss die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten und Sozialvorschriften sicherstellen. Dazu gehört dann auch die Kontrolle des Arbeitsschutzes. Auch Verstöße gegen die Mindestlöhne oder das Arbeitszeitgesetz muss sie verfolgen.“ Eine solche „Arbeitskontrolle aus einer Hand“ habe sich etwa in Frankreich und Spanien bewährt. Entscheidend sei hierbei, die Tarifpartner zu beteiligen: „Wenn Hinweise an die Arbeitsinspektion geben werden, muss dies zu Ermittlungen gegen die Firmen führen“, so Burckhardt. Wenn der Staat dies nicht leisten könne, müsste diese Aufgabe eben an die Gewerkschaft übertragen werden.

(Quelle: IG BAU)

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