Im interdisziplinären Anwendungsbereich „Protective Wear“ für den Arbeitsschutz werden zunehmend intelligente und komplexe Lösungen präsentiert. Textilexperten arbeiten bei der Entwicklung eng mit Spezialisten aus fachfremden Bereichen wie der Elektronik, Optik, oder Lasertechnik zusammen. Die Fachmesse Techtextil, vom 14. bis 17. Mai in Frankfurt am Main, wird daher auch für „textilferne“ Fachbesucher ein interessanter Marktplatz.

Ob innovative Feuerwehrbekleidung, moderne militärische Kampfanzüge oder smarte Multifunktionshandschuhe für Logistiker und Industriearbeiter: Die Spezialbekleidung für Profis vereint inzwischen einiges an Technik, die im Zuge der Miniaturisierung, Beschichtung und des Digitaldrucks nach und nach Bestandteil des Textils selbst wird. Die Rede ist von „Smart Textile-Elementen“.

Kleidung, die leuchtet, misst, klimatisiert, informiert, kommuniziert

Als Technikpioniere entwickeln die interdisziplinär agierenden und im Textilsektor verankerten Ingenieure des in Rheinland-Pfalz ansässigen Unternehmens Lunative Industries derzeit im B2B-Geschäft neue Workwear-Funktionen mit Licht und Sensorik. Sie sollen unter anderem  in den Bereichen Hafenwirtschaft, auf Baustellen und im Speditions- und Logistikbereich zum Einsatz kommen. Dabei geht es nicht selten um verschiedene Funktionalitäten gleichzeitig, bei der die Technik in der Berufs- und Arbeitsschutzbekleidung leuchtet, misst, klimatisiert, informiert, kommuniziert oder Parameter übermittelt. Die Rede ist von interaktiver Kleidung auf Basis der in drei Jahren Forschungs- und Entwicklungsarbeit geschaffenen „Luna Light Pipe“. Sie macht an der Workwear beispielsweise über rotes Licht Sensordaten sichtbar, wenn die Hitze zu groß wird, die Gaskonzentration zu hoch oder der Arbeiter ergonomisch überlastet ist beziehungsweise Gefahr läuft, sich einer „No Go Area“ zu nähern.

Workwear der nächsten Generation

Für die Workwear der nächsten Generation gibt es in Europa mittelfristig gute Erwartungen. Laut „WiseGuyReports.Com“ hält das optimistische Wachstum bei den europäischen Herstellern von Berufsbekleidung, das zwischen 2015 und 2018 um jährlich rund 6,5 Prozent zunahm, weiter an. Bis 2023 erwarten Analysten, dass der Markt für Workwear von 24,1 auf 35,1 Milliarden US-Dollar wächst. Das soll durch Innovationen erreicht werden, die es bisher so nicht gab.

Ärmel-Steuerung

Für die Wirtschaft speziell an der Schnittstelle zwischen Mensch und Roboter/Automat/Anlage ist die Steuerung über Elemente am Ärmel interessant: Im 4.0-Zeitalter sind auch textile Pads, intelligente Handschuhe oder Arbeitsschutzbekleidung, die bei Gefahrensituation die Maschinerie in der Umgebung abschaltet, ein Entwicklungstrend. Das Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland (TITV) hat zusammen mit dem Textilmaschinenhersteller Karl Mayer beispielsweise ein textiles Bedienelement entwickelt. Dabei ist die gewirkte, leitfähige Fläche, die wie eine Fernbedienung funktioniert, in einen Ärmling eingearbeitet. Mit leistungsstarker Elektronik „inside“ ließe sich so auch in der Produktion alles steuern, wofür zuvor eine Fernbedienung benötigt wurde.

Erkennender Schalter

Eschler Textil (Balingen), spezialisiert auf technische Textilien mit heizenden, leuchtenden und sensorischen Eigenschaften, entwickelt textile Sensorik zur Erkennung von Feuchtigkeit und Druck weiter. Ein Innovativer Bestandteil, der auch in Frankfurt zu sehen sein wird, ist ein textiler Schalter, der erkennt, sobald eine Person das Textil berührt. Auf diese Weise lassen sich Prozesse, wie das Anschalten von Licht, in Gang setzen.

Laserschutz mit proaktiver Funktion

Protect Laserschutz aus Roth/Franken weitete seine Laserschutzprodukte aus. Entwickelt wurde eine Schürze mit einer selbsttägig handelnden, also proaktiven Funktion: Trifft bei der Laserbearbeitung von Werkstücken beispielsweise ein unglücklich reflektierter, energiestarker Strahl auf die mit einer Solarschicht versehene Schutzbekleidung, warnt das System von selbst oder schaltet sich ab. Partner in dem ZIM-geförderten Projekt war das Leibniz-IPHT in Jena.

Faserförmige Sensoren & Aktoren

Auch das in Weimar angesiedelte internationale SmartTex-Netzwerk arbeitet an der Funktionsintegration ins Textil. Gemeinsam mit Mittelständlern und dem Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK) werden gerade flexible faserförmige Sensoren und Aktoren auf Basis piezoelektrischer Polymere beforscht. Im Projekt „PieTex“ sollen Einzelfasern Schwingungen erfassen können beziehungsweise im textilen Verbund mehrerer Fasern neben dem Sensoreffekt auch als Energy-Harvesting-System genutzt werden. Ziel ist es, die so gewonnene Energie dazu zu verwenden, die Sensorinformationen an eine Auswertungseinheit zu senden. Polymerfasern mit Piezoeffekt sind dagegen vielfältig einsetzbar – von Medizintechnik über Maschinenbau bis hin zur Verbundmaterialtechnik inklusive Workwear.

Airbag als Absturzsicherung

Airbags können neuerdings auch folgenreiche Leiterabstürze abfedern. Der so genannte „Fallbag“ des PSA-Herstellers Bornack aus Ilsfeld arbeitet mit einer in der Weste integrierten Luftkammer. Die nur zwei Kilogramm schwere Airbag-Weste mit sensorgesteuertem Luftkissen mindert Stürze aus zwei, drei Metern Höhe und damit schwere Verletzungen an Kopf, Brustkorb und Wirbelsäule ab. Die Technik springt selbst bei einem Fallereignis aus einem halben Meter Höhe an. Dabei wird die Gefahr anhand von Bewegung, Beschleunigung und Personenlage selbsttätig erkannt und der Airbag ausgelöst. Vorfeldforschungen dazu liefen zusammen mit einem koreanischen Partner am Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen. 

Für Michael Jänecke, Director Brand Management Technical Textiles & Textile Processing, ist die fortlaufende Miniaturisierung von Jahr zu Jahr faszinierend. „Aus Blaumännern mit Funktionsplus wurde binnen weniger Jahrzehnte intelligente und multifunktionale Arbeitskleidung, die zu Teilen bereits in die Industriedigitalisierung integriert ist.“ Neben Europa kommen dafür starke Impulse aus Asien und den USA.

(Quelle: Checkpoint Media)

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