Die Erkrankung „Lärmschwerhörigkeit“ hält einen zweifelhaften Rekord: Seit vielen Jahren gehört sie zu den am häufigsten anerkannten Berufskrankheiten Deutschlands. Dabei gibt es schon seit Jahrzehnten geeignete und wirkungsvolle Maßnahmen, um das Gehör am Arbeitsplatz zu schützen. Richtig und konsequent umgesetzt, würde es nahezu keine Fälle berufsbedingter Lärmschwerhörigkeit geben – diese These vertritt Peter Hammelbacher, Akustikfachmann der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM). Im Interview anlässlich des heutigen Aktionstags gegen Lärm erläutert er, wieso.

Herr Hammelbacher, wieso ist die Lärmschwerhörigkeit noch immer die am häufigsten anerkannte Berufskrankheit Deutschlands, obwohl es gute und geeignete Präventionsmaßnahmen gibt?

Niemand wird von heute auf morgen schwerhörig, sieht man von sehr seltenen Knallereignissen ab, die ein sogenanntes Knalltrauma verursachen können. Das ist gut und schlecht zugleich. In nahezu allen anderen Fällen wird das Hörvermögen meist über Jahre oder Jahrzehnte beeinträchtigt, ohne dass die betroffene Person die Veränderung wahrnimmt. Das wirkt sich fatal aus, denn erst spät beginnen viele sich Sorgen zu machen – beispielsweise, wenn Gespräche am Arbeitsplatz nicht mehr gut verstanden werden. Selbst dann vergeht oft noch etwas Zeit, bevor die Beschäftigten zum Betriebsarzt gehen. Leider ist es häufig bereits zu spät: Der Hörschaden ist schon eingetreten und irreversibel, da abgestorbene Haarsinneszellen im Innenohr nicht wieder wachsen. Einmal verlorenes Hörvermögen bleibt daher lebenslang verloren.

Das bedeutet, der Prävention kommt auch beim Thema Lärm große Bedeutung zu – gerade weil die Gefahr so stark unterschätzt wird?

Richtig. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist dabei, das individuelle Bewusstsein für das Gefahrenpotenzial einer zu hohen Lärmbelastung zu schärfen. So hört sich zum Beispiel ein Pegelunterschied von 10 dB(A) „nur“ doppelt so laut an, birgt aber eine zehnfach höhere Gefährdung. Darüber klärt die BGHM in Informationsmaterialien, in Seminaren, bei Betriebsbesichtigungen sowie im direkten Gespräch mit Versicherten und Unternehmensverantwortlichen auf und informiert über entsprechende Präventionsmaßnahmen.

Wie können Unternehmensverantwortliche das Thema im Betrieb ansprechen?

Die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung eignet sich dafür sehr gut. Unternehmensverantwortliche ermitteln damit unter anderem, wie hoch die Gefährdung durch Lärm ist und legen Schutzmaßnahmen fest. Bei einer solchen fachkundigen Ermittlung der Lärmbelastung am Arbeitsplatz ist die BGHM ihren Mitgliedsbetrieben gerne behilflich. In regelmäßigen Unterweisungen müssen die betroffenen Beschäftigten über die Konsequenzen der Gefährdungsbeurteilung informiert werden: beispielsweise arbeitsmedizinische Vorsorge oder das Tragen eines Gehörschutzes. Der Arbeitgeber ist außerdem verpflichtet zu überprüfen, ob die Beschäftigten sich an die Schutzmaßnahmen halten und beispielsweise den Gehörschutz auch tatsächlich richtig tragen.

Gibt es eigentlich eine Reihenfolge bei den Schutzmaßnahmen?

Es gibt eine Maßnahmenhierarchie, die als STOP-Prinzip bezeichnet wird. Das steht für Substitution sowie für technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen. Erst wenn eine Maßnahme nicht den gewünschten oder geforderten Erfolg bringt, ist die nächste Maßnahmenebene zu ergreifen. Substituieren steht an erster Stelle und bedeutet ersetzen: Lärmintensive Arbeitsverfahren lassen sich mitunter zum Beispiel durch die Anschaffung einer leiseren Maschine vermeiden. So entsteht schädlicher Lärm gar nicht erst – das ist die beste Präventionsmaßnahme. Persönliche Schutzmaßnahmen wie Schaumstoffohrstöpsel stehen deswegen auch am Ende dieser Reihenfolge, denn sie schützen zwar das Gehör vor Lärm, tragen aber nicht dazu bei, seine Entstehung zu verhindern beziehungsweise die Lärmintensität am Entstehungsort zu verringern.

Was sollten Beschäftigte beim Thema Persönliche Schutzmaßnahmen, also beim Gehörschutz, beachten?

Erstens: Der Gehörschutz muss richtig getragen werden, sonst hat man keine Schutzwirkung. Zweitens: Der Gehörschutz muss immer getragen werden, wenn man sich in einem entsprechenden Lärmbereich befindet. Drittens: Besteht bereits ein Gehörschaden, addiert sich dieser mit der Dämmwirkung eines Gehörschutzes so ungünstig, dass Gespräche schlecht geführt werden können. Das kann dazu verleiten, keinen Gehörschutz zu tragen – eine Abwärtsspirale setzt ein. In solchen Fällen sollte immer ein Akustikfachmann um Rat gefragt werden, der mögliche Alternativen vorschlagen kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

(Quelle: BGHM)

http://www.bghm.de